Bei Gewalt im Namen der Ehre handelt es sich um Gewalt, die zur Erhaltung oder Wiederherstellung der vermeintlichen Familienehre angewendet wird. Die verschiedenen Formen der Gewalttaten reichen von emotionaler Erpressung und psychischem Druck bis hin zu physischer und sexualisierter Gewalt. Dazu gehören auch Zwangsverheiratungen oder so genannte "Ehrenmorde".
Ehre oder Familienehre wird in vielen Kulturkreisen und Ländern unterschiedlich definiert.
In stark patriarchal geprägten Gesellschaften ist die Familienehre abhängig vom "richtigen" Verhalten der weiblichen Familienmitglieder, die quasi als Besitz des Mannes angesehen werden. Verstößt ein weibliches Familienmitglied gegen die vorherrschenden Normen und wird dies bekannt, ist die gesamte Familienehre beschädigt, wenn nicht gar zerstört, und somit auch das gesellschaftliche Ansehen der gesamten Familie.
Hintergrund ist die Kontrolle der weiblichen Sexualität. Sexualität wird nur innerhalb der Ehe toleriert. Dabei reicht in manchen Fällen der Verdacht oder das Gerücht, ein Mädchen sei mit einem fremden Jungen oder Mann gesehen worden, um die Familienehre nachhaltig zu beschädigen. Auch eine Vergewaltigung kann zum Verlust der Familienehre führen.
Die Aufgabe der Männer ist es, die Familienehre zu bewahren bzw. das Verhalten der weiblichen Familienangehörigen daraufhin zu kontrollieren. Gelingt ihnen dies nicht, besteht die Möglichkeit einer Wiederherstellung der Familienehre nur durch die Ermordung (Mord im Namen der Ehre = "Ehrenmord") des Mädchens oder der Frau, die für den Ehrverlust verantwortlich ist. Bei Ehrenmorden handelt es sich meistens um eine Kollektiventscheidung der Familie oder des Clans. Die Frauen bekommt selten Unterstützung aus der eigenen Familie, weil der gesellschaftliche Druck gegen sie so stark ist.
In einigen bekannt gewordenen Fällen von Gewalt im Namen der Ehre haben die Täter ihr Handeln mit ihrer Religion begründet. In vielen Religionen und Weltanschauungen ist Sexualität nur in der Ehe erlaubt. Außerehelicher Geschlechtsverkehr kann dann eine Beschädigung der Familienehre bedeuten, die die Männer über die Ausübung von Gewalt wiederherzustellen versuchen. Aber: Gewalt ist immer eine Menschenrechtsverletzung und darf und kann durch nichts legitimiert werden!
Auch in Europa gibt es Gewalt im Namen der Ehre. Besonders häufig betroffen sind Mädchen und Frauen aus Familien mit Migrationshintergrund. Einerseits stehen sie sehr unter Druck, dem patriarchalen Rollenverständnis ihrer Familien gerecht zu werden. Andererseits haben sie den Wunsch, ein gleichberechtigtes Leben zu führen.
Hat ein Mädchen oder eine Frau durch ihr Verhalten nach Ansicht ihrer Familie "Schande" über sie gebracht, wird diese alles tun, um die Familienehre wieder herzustellen. In einigen Fällen sehen sie die einzige Möglichkeit dafür in der Ermordung (Mord im Namen der Ehre = "Ehrenmord") der für den Ehrverlust verantwortlichen Person.
Nach dem UN-Weltbevölkerungsbericht von 2000 werden weltweit jährlich mindestens 5.000 Menschen Opfer so genannter "Ehrenmorde", die meisten davon sind Frauen. Allerdings werden viele Ermordungen überhaupt nicht als solche erkannt, da der Mord entweder als Selbstmord oder Unfall getarnt wird oder Mädchen und Frauen in den Selbstmord getrieben werden. Bei der Umfrage zum UN-Weltbevölkerungsbericht wurden 14 Länder befragt, Deutschland war nicht darunter.
Da in Deutschland Mord nicht nach dem Motiv erfasst wird, existiert bisher keine Polizeistatistik über das Ausmaß von "Ehrenmorden" in Deutschland. Aber das Bundeskriminalamt veröffentlichte im Mai 2006 die Ergebnisse eines speziellen Bund-Länder-Abgleichs (PDF-Datei) der polizeilich bekannt gewordenen Fälle so genannter "Ehrenmorde". Danach gab es in Deutschland vom 1. Januar 1996 bis 18. Juli 2005 insgesamt 55 solcher Morde und Mordversuche mit insgesamt 70 Opfern.
Während es in Deutschland wie erwähnt keinen Unterschied macht, aus welchen Gründen ein Mord begangen wird, existieren in einigen Ländern wie z.B. Jordanien oder Pakistan spezielle Gesetze, die eine Strafmilderung oder Straffreiheit bei "Ehrenmorden" ermöglichen. Artikel 340 des jordanischen Strafgesetzbuchs lautet: "Wer seine Ehefrau oder eine Blutsverwandte (...) dabei ertappt, wie sie Ehebruch mit einem anderen Mann vollzieht, und sie daraufhin umbringt, verwundet oder verletzt, ist von der Bestrafung ausgenommen."